#9 – WARUM DENNOCH VOR GERICHT ERSCHEINEN, OBWOHL MAN WEISS, DASS MAN VERURTEILT WIRD?

Vor allem im Verkehrsrecht oder in Forderungsbeitreibung (man wird vorgeladen, weil man seine Schulden nicht bezahlt hat) stellen wir fest, dass viele Personen, die vorgeladen wurden, einfach nicht vor Gericht erscheinen und sich in Abwesenheit verurteilen lassen.

Auf Nachfrage wird uns oft gesagt, dass eine Anwesenheit vor Gericht sich doch nicht lohnt, wenn man weiß, dass man im Fehler war.

Den heutigen News Flash möchten wir nutzen, um darauf hinzuweisen, wie wichtig die Präsenz des Vorgeladenen vor Gericht ist.

Es mag sein, dass derjenige, der vorgeladen wird, tatsächlich einen Fehler oder ein Versäumnis begangen hat.

Wenn man jedoch nicht bei der Gerichtsverhandlung erscheint, kann der Richter nur sehr bedingt die Forderung des Klägers bzw. der Staatsanwaltschaft auf seine Richtigkeit hin überprüfen, ein milderes Urteil sprechen oder alternative Durchführungsbedingungen (wie z.B. eine Arbeitsstrafe statt Geldbuße) beschließen.

Dies ist tatsächlich nur möglich, wenn der Beklagte oder der Beschuldigte den Richter hierum bittet. Der Richter darf dies nicht von sich aus beschließen.

Ein Beispiel: ich wurde in einer 50er-Zone mit über 100 km/Stunde geblitzt. Natürlich weiß ich, dass ich viel zu schnell war. Der Polizeirichter wird diesbezüglich sicher eine Verurteilung aussprechen. Es ist allerdings so, dass ich ein geregeltes Leben führe, keine Vorstrafen und nur ein sehr geringes Einkommen habe. Wenn ich diese Argumente dem Richter vortrage und aufgrund meines Einkommens um eine Arbeitsstrafe (Sozialstunden) bitte, werde ich das Urteil möglicherweise erheblich abmildern können. Darum muss ich – wie bereits hiervor erwähnt – aber vor Gericht erscheinen und meine Argumente vortragen.

Ein anderes Beispiel: ich habe es während einigen Monaten aufgrund von persönlichen Schwierigkeiten (z.B. Arbeitsverlust oder Todesfall) versäumt, verschiedene Rechnungen zu bezahlen. Dies hat nun zur Folge, dass mich mein Gläubiger vor das Friedensgericht vorlädt, um mich zur Zahlung dieser Beträge verurteilen zu lassen. Natürlich weiß ich, dass ich diese Beträge nicht bezahlt habe und diese in jedem Fall zahlen muss. In der Vorladung werden mir allerdings der volle Betrag zuzüglich Kosten, Strafzinsen und einer Strafklausel berechnet, sodass das den ursprünglich geschuldeten Betrag erheblich erhöht. Da ich aber bereits Schwierigkeiten habe, kann ich den Richter darum bitten, die Rechtmäßigkeit dieser zusätzlichen Kosten zu prüfen und/oder mir einen Ratenplan zu gewähren. Dies erspart mir sowohl Kosten und erleichtert mir das monatliche Abstottern meiner Schuld. Wenn ich allerdings nicht vor Gericht erscheine, muss der Richter der Klage integral stattgeben und darf sie nicht überprüfen.

Sollte die Angelegenheit zu komplex sein, um sich selbst zu verteidigen, oder sollten Sie nicht persönlich anwesend sein können/wollen, ist es natürlich sinnvoll und nützlich, seinen Rechtsbeistand mit der Aufgabe der Verteidigung zu beauftragen.

Für Personen mit einem geringen Einkommen ist es durchaus möglich, dass diese Kosten durch die Staatskasse getragen werden. Die Informationen hierzu finden Sie auf //www.anwaltskammer-eupen.be/rechtshilfe.

Viele Personen verfügen zudem – vor allem in Sachen Verkehrsrecht – über eine Rechtschutzversicherung, die die Kosten des Rechtsanwalts und die Verfahrenskosten trägt. Hier reicht ein einfacher Anruf bei dem Versicherungsmakler seines Vertrauens, um sich Klarheit zu verschaffen.

Fazit: Wir können nur betonen, wie wichtig es ist, sich zu verteidigen. Sie können nur gewinnen!